Biel ist nicht Wimbledon. Doch wie Flynn Thomas (15) auf den Sandplätzen des Leistungszentrums von Swiss Tennis die Bälle ins Feld wuchtet, erinnert eher an die grosse Tenniswelt als an das beschauliche Berner Seeland: Vorhand, Rückhand, Smash – Game, Set und Match!
Der Ebmatinger gehört zu den hoffnungsvollsten Tennistalenten des Landes. Im August 2022 führte er das Schweizer Team an der U14-WM in Tschechien mit 10 Siegen in 11 Spielen zum Titelgewinn. Im Jahrgang 2008 belegt er aktuell den vierten Platz der Weltrangliste. «Einen wie ihn habe ich in diesem Alter noch nie gesehen.» Dies sagt Robin Roshardt, früherer Profi, der einst die prestigeträchtige Orange Bowl in Florida gewonnen hatte. Später trainierte er Flynn Thomas in der eigenen Tennis-Academy auf der Zürcher Sportanlage Lengg.
Zwei hochtalentierte Schwestern
Doch Flynn ist anders als die anderen Jugendlichen. Erst mit vier Jahren begann er zu sprechen, in Kindergarten und Primarschule zeigte er sich verhaltensauffällig und aggressiv. Diagnose: Asperger-Syndrom, eine Erkrankung innerhalb des Autismusspektrums.
Flynn sitzt am runden Esstisch zuhause in der schönen Maisonette-Wohnung. Neben ihm die Schwestern Hannah (17) und Leonie (19). «Sie sind seine Beschützerinnen», sagt die Mutter, die sich alleine um Haus und Familie kümmert.
Beide Mädchen waren ebenfalls talentierte Sportlerinnen – Leonie gehört im Squash zur nationalen Spitze, Hannah kämpfte als Eiskunstläuferin um die Schweizer Meisterschaft. Doch drei Sportkarrieren konnte sich die Mutter nicht leisten.
Seine Krankheit macht Flynn zum Sonderfall – auch im Alltag. Von der Volksschule wurde er verwiesen. Auch an privaten Bildungsinstituten wurde es nicht besser. Die Schule sei definitiv nichts für ihn, sagt seine Mutter. Flynn kann täglich höchstens zwei Stunden lernen: «Sonst wird er ausfällig oder beginnt zu zittern», so die Mutter.
Flynn habe die Lehrer und die anderen Kinder nicht ertragen, und sie ihn auch nicht: «Ich glaube, er ist das erste Kind in der Schweiz seit 50 Jahren, das als nicht beschulbar gilt.»