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Maur
30.08.2024
21.10.2024 09:34 Uhr

Das lokale Gewerbe bietet eine emotionale Bindung

Der Präsident des Gewerbevereins Maur, Bruno Sauter.
Der Präsident des Gewerbevereins Maur, Bruno Sauter. Bild: zvg
In der Gemeinde Maur herrscht eine lebhafte Geschäfts- und Unternehmenskultur. Bruno Sauter, der Präsident des Gewerbevereins Maur, spricht über Herausforderungen, Erwartungen – und über den Schaden, den die Rad-WM anrichtet.

Bruno Sauter, der Gewerbeverein Maur umfasst 67 Mitglieder – vom Coiffeur über den Elektriker bis zum Bierbrauer. Lässt sich das kommunale Gewerbe überhaupt unter einen Hut bringen?

Das Gewerbe und die gesamte Wirtschaftsleistung der KMU in der Schweiz und auch in der Gemeinde Maur waren und sind seit jeher unterschiedlich. Das Verbindende sind das persönliche Engagement der Eigentümer, das Bestreben, bestes Preis-Leistungsverhältnis zu bieten und – unter anderem mit Lehrlingsausbildung – den künftigen Wohlstand zu sichern.

Wie geht der Gewerbeverein auf die unterschiedlichen Ansprüche ein?

Die unterschiedlichen Ansprüche sind in der Tat eine grosse Herausforderung. Glücklicherweise übernimmt jedoch der kantonale KMU- und Gewerbeverein eine wichtige Funktion in den politischen Fragestellungen, und auch die Informationsplattform ist über die eigene Zeitschrift gegeben. In Maur ist der Gewerbeverein primär für die Mitglieder im Sinne der Unternehmerinnen und Unternehmer eine Plattform für Begegnungen, Austausch und Anlaufstelle.

Bei seiner Gründung im Jahr 1945 umfasste der Gewerbeverein 17 Mitglieder. In welcher Beziehung hat sich das Gewerbe in den vergangenen 79 Jahren am stärksten verändert?

Die meisten der in der Gemeinde Maur ansässigen Firmen sind Einzelunternehmungen im Dienstleistungsbereich. Die Bedeutung der kommunalen Gewerbetreibenden hat sich jedoch nur geringfügig verändert. Von den Kunden werden Kompetenz, rasche Reaktionszeiten und das Eingehen auf individuelle Anliegen gewünscht. Die Digitalisierung, die Bedeutung von Suchmaschinen und die Relevanz sozialer Medien haben selbstredend auch die Erscheinung und die Prozesse bei den KMU massiv verändert.

Die Stadt Zürich sowie grössere Orte wie Uster oder Dübendorf sind nah. Hat das lokale Gewerbe gegen diese grosse Konkurrenz überhaupt eine Chance?

Das Vertrauen, insbesondere bei Dienstleistungen, wird über die beteiligten Menschen gewonnen. Gerade die Nähe innerhalb einer Gemeinde bietet hierzu eine Chance. Die Konkurrenz in der Angebotsvielfalt kann durch kundenspezifische Selektion und ergänzende Dienstleistungen
kompensiert werden. Wer jedoch einzig das «Billige» sucht, der wird sich bei den Unternehmen in der Gemeinde weniger wohlfühlen. Diese Kunden, welche online ein Bike in China bestellen, dürfen sich dann aber auch nicht wundern, wenn der lokale Mechaniker sich für Reparaturen
und fehlerhafte Komponenten keine Zeit nimmt. 

Was können lokale Anbieter leisten, was Auswärtige nicht können?

Kundennähe, Individualisierung, Beratung und eine emotionale Bindung.

Wird das lokale Gewerbe bei offiziellen Ausschreibungen, beispielsweise durch die Gemeinde, bevorzugt?

Nein. Bei Einladungsverfahren oder freihändiger Vergabe wird es jedoch sehr geschätzt, wenn die ansässigen Unternehmen berücksichtigt werden. Bei Ausschreibungen ist der Spielraum sehr klein, und so können dann leider auch unverständliche Entscheide zustande kommen. In einem mir bekannten Fall fährt ein Unternehmen aus Basel nun in eine grosse Stadt im Kanton Zürich, um dort Leistungen für 100 Franken zu erbringen – ein Unfug.

Welches sind die grössten Sorgen der örtlichen Gewerbetreibenden?

Fachkräfte zu gewinnen, die administrative Last mit immer mehr Auflagen durch den Gesetzgeber, die Steuersituation im Kanton Zürich, die zunehmende Feindlichkeit gegenüber Mobilität und die einschränkende Raumplanung. Zudem ist auch bei den kleinen Unternehmen das Misstrauen gegenüber der Unternehmerin und dem Unternehmer als vermeintlichen «Abzockern» und «Ausbeutern» häufiger spürbar als auch schon.

Im September besucht die Rad-WM die Gemeinde. Wie steht das Maurmer Gewerbe dazu?

Im Durchschnitt werden pro Tag zirka 120 Radprofi s auf den Rundkursen unterwegs sein. Dafür wird der halbe Kanton Zürich mit 1,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern teilweise lahmgelegt. Was will man dazu noch sagen? Die Einschränkungen sind massiv, das Gewerbe kann nicht planen, nicht reagieren und die Kunden nicht zufrieden stellen. Aber es genügt ja, wenn wir brav die Steuern bezahlen …

Man hört von einigen: «Dann mache ich gleich zwei Wochen Ferien.» Ist das ernst gemeint oder eine leere Drohung?

Für gewisse Unternehmen ist dies sicherlich eine Option. Den Schaden haben am Ende der Kunde und das Unternehmen. Entscheiden muss jeder selbst.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie wird sich das Gewerbe in den nächsten zwanzig Jahren verändern?

Auf der Produkteebene wird es Standardisierungen geben und die Austauschbarkeit wird den Preiskampf intensiveren. Die Differenzierung geschieht über kombinierte Dienstleistungen und Pakete, welche den Kunden Komfort, Sicherheit und Betreuung bieten.

Dieser Beitrag ist am 30. August 2024 in der «Maurmer Zeitung» erschienen.

Thomas Renggli, Redaktion «Maurmer Zeitung»