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Gast-Kommentar
Maur
30.08.2024
21.10.2024 09:37 Uhr

Die Radwelt trifft sich bei der Milchhütte Binz

«Maurmer Zeitung»-Gastautor Daniel Steffen
«Maurmer Zeitung»-Gastautor Daniel Steffen Bild: zvg
In der Rubrik Denkanstoss widmet sich der Gastautor Daniel Steffen der Rad-WM 2024, die auch durch die Gemeinde Maur führen wird.

Bald ist es also so weit: Das kleine Binz wird zur internationalen Rad-Hauptstadt. Wer hätte das gedacht? Nicht Paris, nicht London, sondern Binz! Und wo trifft sich die Elite des Radsports? Natürlich bei der weltberühmten Milchhütte Binz. Da führen alle Rennen vorbei. Man könnte fast meinen, der Tour-de-France-Schlusssprint sei nach Binz verlegt worden. Alpe d’Huez war gestern – ab jetzt wird die Radwelt nur noch über unser idyllisches Fleckchen Erde sprechen.

Aber machen wir uns nichts vor: Das wird kein gemütliches Beisammensein bei einem Glas frischer Milch. Nein, während die Radprofis ihre Runden drehen, werden wir – die Einwohnerinnen und Einwohner von Binz – unsere ganz eigene Tour de Force bewältigen. Zehn Tage Strassensperren, und das nicht nur für den Durchgangsverkehr, sondern auch für uns Anwohner. Wer braucht schon Zugang zu seiner eigenen Einfahrt? Schliesslich ist es viel spannender, den Schlüssel für die Garage gegen eine Hängematte am Wegesrand zu tauschen, um die vorbeirauschenden Wohnmobile der Fans zu bestaunen.

Und apropos Fans: Wir erwarten sie in Massen. Französische, belgische und niederländische Radsport-Enthusiasten werden Binz zu ihrem persönlichen Alpe d’Huez machen – Wohnmobile inklusive. Da bin ich mir sicher. 

Stellplätze? Na klar, zwischen Kuhweide und Schrebergarten gibt’s sicher noch ein Plätzchen. Und wenn nicht, bauen wir einfach ein paar Zelte in der Dorfmitte auf. Das wird schon! Der Gemeinderat scheint jedenfalls tiefenentspannt zu sein. Wozu sich den Kopf zerbrechen, wenn man das Chaos auch einfach geschehen lassen kann?

Klar, es gibt ja auch viel Positives: Bis auf die vorbeirauschenden, sich nicht an Verkehrsregeln haltenden Mannschaftswagen und Begleitfahrzeuge, zehn Tage praktisch autofreies Binz. Die Ruhe, die Natur, die grosse Chance, mal wieder richtig abzuschalten … Oder eben komplett abgetrennt zu sein. Vielleicht sollten wir das gleich zum Dauerzustand machen. Wie wäre es mit einem Binzmer Verkehrfrei-Festival, an dem die Strassen mit Gittern abgesperrt sind, die Binzmer den leeren Asphalt bestaunen und mit Bratwurstständen feiern? Nur ein Vorschlag.

Was mich betrifft, ich mache mich dann mal aus dem Staub. Während hier die Radparty steigt, geniesse ich den Radweg entlang der Loire – ohne Wohnmobile, ohne Strassensperren. Nur ich und mein Rad. Die wahre Tour de France, während der Rest von Frankreich in Binz die Milchhütte bejubelt.

Und wer weiss, vielleicht wird Binz ja tatsächlich zur neuen Pilgerstätte für Radfans. Alpe d’Huez? Vergessen Sie’s. Die Radwelt trifft sich an der Milchhütte Binz. Tour de Milchhütte. 

Über den Gastautor

Der gebürtige Bündner Daniel Steffen (60) ist langjähriger Geschäftsführer von internationalen Firmen und besitzt grosse Erfahrung in Unternehmensführung. Er war unter anderem acht Jahre Gemeinde- und Gemeinderatspräsident in der Berner Oberländer Gemeinde Leissigen. Seit fünf Jahren wohnt er in Binz.

Dieser Beitrag ist am 30. August 2024 in der «Maurmer Zeitung» erschienen.

Daniel Steffen