Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Region
18.02.2025
18.02.2025 19:20 Uhr

GZO-Misere: Die hohle Hand machen ist keine Lösung

50 Millionen Franken fürs GZO. Und dann?
50 Millionen Franken fürs GZO. Und dann? Bild: AdobeStock
Die GZO AG hat sich verspekuliert. Dem Kanton die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist nicht die Lösung. Und vor allem keine für die Zukunft. Ein Kommentar von Barbara Tudor.

Die Überraschung und der Aufschrei im April 2024 waren gross, als Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli bekanntgab, dass der Kanton das Gesuch der GZO AG um finanzielle Unterstützung in der Höhe von 180 Millionen Franken ablehnt. Doch der Entscheid ist richtig. Warum, zeigt auch ein Blick in die Vergangenheit des GZO.

Schon einmal Baustopp

Das Spital in Wetzikon blickt auf eine 115-jährige Geschichte zurück, es wurde 1910 in Betrieb genommen. In den 1970er Jahren wurde der Neubau lanciert. Das «Hochhaus» wurde 1977 eingeweiht und ist sozusagen das Wahrzeichen von Wetzikon. Der Neubau kostete seinerzeit 45 Millionen Franken. Die Geschosse 9 und 10 blieben geplant als Raumreserve im Rohbau, der Ausbau von diesen erfolgte im Jahr 1992.

Interessant beim Lesen der GZO-Geschichte: 1974 drohte bereits einmal ein Baustopp wegen nicht budgetiertem Zahlungsaufschub des letzten Drittels der kantonalen Beiträge (20 Millionen Franken) bis zur Fertigstellung des Spitals, erfährt man auf Wetzipedia.

Im Jahr 2000 wurden die Zürcher Oberländer Spitäler Rüti, Bauma, Wald und Wetzikon am Standort Wetzikon in der Gesundheitsversorgung Zürcher Oberland (GZO) vereint. 2006 wurde an der Generalversammlung der Zweckverbandsgemeinden (GZO-Kommission) der Gossauer Gemeindepräsident Jörg Kündig zum Nachfolger des langjährigen Präsidenten Heinz Salzmann gewählt.

Seit 2009 eine Aktiengesellschaft

Seit 2009 arbeitet das GZO Spital Wetzikon unter dem Dach einer gemeinnützigen Aktiengesellschaft, der GZO AG. Seit 2009 ist Jörg Kündig VR-Präsident der GZO AG. Das Aktienkapital der GZO AG gehört zu 100 Prozent den Aktionärsgemeinden.

Aktionärinnen sind die zwölf Gemeinden Bauma, Bäretswil, Bubikon, Dürnten, Fischenthal, Gossau, Grüningen, Hinwil, Rüti Seegräben, Wald und Wetzikon. Das Aktienkapital richtet sich prozentual nach der Einwohnerzahl der jeweiligen Trägergemeinde. Die Gemeinden Wetzikon, Rüti, Hinwil und Wald halten die höchsten Anteile gemessen an ihrer Einwohnerzahl.

Die Geschichte wiederholt sich

Nach erfolgreichen Jahren verzeichnete die GZO AG 2018 einen Verlust von 9,3 Mio. Franken. Das Ergebnis stand im Zusammenhang mit angelaufenen Bauprojekten und dessen Finanzierung.

Im Mai 2019 erfolgte die Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau, der im dritten Quartal 2025 hätte fertiggestellt werden müssen. Dieser steht seit letztem Frühling aus bekannten Gründen still und ist zudem erst zu 70 Prozent fertiggestellt. Der Generalunternehmer des GZO-Baus, die Firma Steiner AG, hatte die Bauarbeiten im Frühling 2024 eingestellt, weil die GZO ihren Zahlungen nicht nachgekommen sein soll. Die Steiner AG befindet sich mittlerweile ebenfalls in Nachlassstundung.

Das Geld für den Neubau hatte die GZO AG freilich nicht. Zur Finanzierung wurde am Markt eine Anleihe über 170 Millionen Franken aufgenommen. Diese wurde der GZO AG zum Verhängnis: Im Juni 2024 hätte das Spital das Geld den Gläubigern zurückzahlen müssen. Doch dazu war das Spital nicht in der Lage. Die Spitalführung hatte zwar versucht, Gläubiger zu finden, welche die Anleihe ablösen. Doch niemand war – verständlicherweise – bereit, so viel Geld aufzubringen bzw. weiteres Geld einzuschiessen in ein Spital, das Verluste schreibt. Was folgte, ist ebenfalls bekannt: Die provisorische und derzeit die definitive Nachlassstundung.

Fusions-Stopp, neues Arbeitszeitmodell, Personalabbau, Stroke Unit

Bereits 2018 hatten die Spitäler Uster und Wetzikon mit Überlegungen zu einer Fusion begonnen, im Mai 2020 hätte die Abstimmung darüber stattfinden sollen. Doch dazu kam es Corona-bedingt nicht. Die Spitäler entschieden sich für das «Szenario Alleingang». Der Abbruch des Fusionsprozesses sei weniger risikobehaftet als dessen Fortsetzung, hiess es damals in der gemeinsamen Mitteilung. Auch die Spitalplanung 2023 spielte damals eine Rolle bei dem Entscheid. Die Spitäler gingen davon aus, dass eine separate Bewerbung beim Kanton zielführender sei.

Währenddessen leistete sich das Spital im Jahr 2022 ein neues Schichtdienst-Arbeitszeitmodell mit verkürzter Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn. Das Geschäftsjahr 2022 schloss mit einem Defizit.

Im Februar 2023 dann kam die Meldung, dass das Spital aus Kostengründen 7 Prozent der Stellen abbauen müsse. Parallel dazu wurde die Stroke Unit für Schlaganfall-Patienten aufgebaut, die 2023 eröffnet wurde.

Haben Kontrollmechanismen versagt?

Die Erweiterung und der Neubau wurden als «zukunfts- und tragfähige Spitalinfrastruktur in der Region» angepriesen. Der Neubau erweist sich als alles andere. Er ist weder fertiggestellt, noch zukunftsfähig und schon gar nicht tragbar.

Ob der Rohbau in naher Zukunft als «Wert» in mögliche Verbunds-Verhandlungen eingebracht werden kann, wie es der GZO-CEO Hansjörg Herren in einem Podcast sieht, wird sich zeigen. Der unfertige Neubau ist derzeit vor allem eins: ein tonnenschwerer Klotz am Bein.

Die Schuld der Gesundheitsdirektion oder «dem Kanton» generell in die Schuhe zu schieben, wie man es immer mal wieder hört, ist falsch und greift zu kurz. Ebenso die Online-Petition, die zwar gut gemeint und ein schönes Zeichen der Solidarität mit den GZO-Mitarbeitenden ist, aber am Ziel vorbeischiesst.

Niemand möchte, dass das Wetziker Spital eingeht. Niemand will, dass mehrere hundert Menschen ihre Stelle verlieren. Und wohl niemand möchte auf «sein» Spital vor der Haustüre verzichten. Der Entscheid der Gesundheitsdirektion, die hohle Hand der GZO AG zurückzuweisen, war aber das einzig Richtige und korrekt im Sinne der Gesetzgebung.

Wie es die Gemeinden Bubikon und Rüti letzte Woche in ihrer Mitteilung schrieben, bei dem sie sich gegen den 50-Millionen-Kredit aussprachen: Die Aufgabe des Kantons ist es, die Gesundheitsversorgung in seinen Gebieten sicherzustellen. Dazu vergibt er Leistungsaufträge an Spitäler wie an das GZO und schliesst Verträge mit ihnen ab. Diese Spitäler erhalten für ihre Leistungen entsprechende Entschädigungen vom Kanton.

Einen Neubau in der Dimension zu bauen und dafür eine Anleihe in der Höhe von 170 Millionen Franken aufzunehmen, entschied die GZO AG alleine. Es ist nicht Aufgabe des Kantons, eine Aktiengesellschaft vor dem Ruin zu retten und finanzielle Löcher zu stopfen. Im Fall des GZO erst recht nicht, wenn das finanzielle Fiasko derart hausgemacht und hoch ist. Auch wenn es sich bei den 180 Millionen Franken, um welche das GZO beim Kanton ersucht hat, «nur» um ein Darlehen gehandelt hätte.

Wenn am Kapitalmarkt niemand bereit war, 170 Millionen Franken in ein defizitäres Spital einzuschiessen, warum sollte es dann der Kanton sein? Das Schuldenproblem hätte sich lediglich von den Anleihegläubigern zum Kanton verschoben, also zu den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, aber kein einziges Problem wirklich gelöst.

«Mit den 50 Millionen Franken werden wohl nur Löcher gestopft. Die Zahlung dürfte ein Tropfen auf den heissen Stein sein. Im Gegenzug wird diese Zahlung die Budgets in den Aktionärsgemeinden für die nächsten Jahre massiv belasten.»
Barbara Tudor

Wo sind eigentlich die Aktionäre?

Der GZO-Verwaltungsrat, der inmitten des Sturms vereint seinen Rücktritt erklärt hat, aber bis zu einer «geordneten Übergabe» weiterhin am Ruder ist, hat sich verspekuliert bzw. zu hoch gepokert. Kritisch hinterfragen muss man neben der obersten Führungsebene der GZO AG aber auch die Aktionäre, in diesem Fall die Vertreterinnen und Vertreter der Aktionärsgemeinden. Jene, die im Auftrag ihrer Bevölkerung und weiterer Anspruchsgruppen handeln.

Haben sie der GZO-Führung zu blind vertraut? Haben sie sich zu lange blenden lassen? Haben Sie nicht genau genug hingeschaut? Haben Kontrollmechanismen versagt oder gar gefehlt? Nun müssen notgedrungen Experten, Gerichte und Sachwalter eingesetzt werden, die den Steuerzahler am Ende Millionen kosten werden.

Wo sind die 170 Millionen hin?

Die Schuld beim Kanton zu suchen, ist falsch. Auch deshalb, weil «der Kanton» letztendlich wir alle sind, die Bevölkerung, die Unternehmen. Sie alle bluten im Fall des GZO bereits heute und gleich auf mehreren Ebenen. Die Gläubiger (zu denen auch Pensionskassen zählen sollen), die so oder so einen grossen Verlust einfahren werden, vom GZO beauftragte Unternehmen und Handwerker sowie ehemalige Mitarbeitende, die seit Mai 2024 auf ihr Geld warten und es vielleicht nie zu sehen bekommen. Auch kann man sich fragen: Wo sind die 170 Millionen eigentlich genau hin?

Ein Tropfen auf den heissen Stein

In diesem Kontext sollte der 50-Millionen-Kreditantrag der GZO AG kritisch betrachtet werden. Mit den 50 Millionen Franken werden wohl nur ein paar Löcher gestopft werden können, die Zahlung dürfte ein Tropfen auf den heissen Stein sein.

Im Gegenzug wird diese Zahlung die Budgets in den Aktionärsgemeinden für die nächsten Jahre massiv belasten. Denn viele der Aktionärsgemeinden sind nicht auf Rosen gebettet, budgetieren aktuell mit Defiziten und sinkenden Eigenfinanzierungswerten. Werden erneut 50 Millionen Franken eingeschossen, dürften Steuererhöhungen die Folge sein. Oder es werden anderswo Mittel fehlen, z. B. für die Jugend, für Familien, für die Infrastruktur in den Gemeinden.

Die Aktionärsgemeinden und damit auch die Stimmberechtigten der Gemeinden tun gut daran, sich nicht nur über ein Ja oder Nein zum 50-Millionen-Kredit Gedanken zu machen, sondern auch, welche Bedingungen sie an eine solche Zahlung knüpfen wollen und wofür das Geld eingesetzt werden darf und wofür eben nicht. Bei diesen Überlegungen müssen auch die Arbeitsplätze und die regionale Wirtschaft einfliessen.

Der Schaden für die Menschen wie auch für die Wirtschaft ist bereits immens. Weiterer Schaden darf nicht in Kauf genommen werden. Heute sind es 50 Millionen Franken. Was kommt als nächstes?

«Ein Nein zum 50-Millionen-Kredit ist kein Nein zum GZO.»
Barbara Tudor

Es braucht mehr als eine Banküberweisung

Um das GZO zu retten, braucht es jetzt mehr als eine Banküberweisung und ein neues Management. Es braucht ein Sanierungs- und vor allem ein Planungskonzept, das seinem Namen gerecht wird. Nur die hohle Hand beim Steuerzahler zu machen, reicht nicht und wäre vermessen.

Die teuer eingekauften Experten müssen sich nicht nur um die kurzfristige Sanierung kümmern, sondern auch eine solide, langfristige Planung erarbeiten, die den Steuerzahlenden verständlich aufzeigt, wie und mit welchen Partnern ein wirtschaftlich gesunder Betrieb sichergestellt werden kann. Das darf und muss vom Management erwartet werden.

Gleichzeitig braucht es wachsame Aktionäre – in diesem Fall die Vertreterinnen und Vertreter der Aktionärsgemeinden und die Bevölkerung selbst. Sie alle müssen sich mit dem Thema auseinandersetzen und zu einem Konsens kommen. Vielleicht sogar mit einem Gegenvorschlag zum 50-Millionen-Kredit? Denn ein Nein zum 50-Millionen-Kredit ist kein Nein zum GZO!

Barbara Tudor