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Kommentar
Maur
06.04.2024
06.04.2024 12:07 Uhr

Maurmer Post: Auslagerung das einzig Richtige

Die «Maurmer Post» hängt am seidenen Faden. Es ist allen zu wünschen, dass bald eine zukunftsfähige Lösung gefunden wird.
Die «Maurmer Post» hängt am seidenen Faden. Es ist allen zu wünschen, dass bald eine zukunftsfähige Lösung gefunden wird. Bild: AdobeStock
Der aktuelle Fall in Maur zeigt deutlich: Finanziert eine Gemeinde ihre Dorfzeitung, sind Probleme vorprogrammiert. Das letzte Wort hat die Gemeinde und nicht die vermeintlich unabhängige Redaktion. Das widerspricht der Demokratie.

Kommentar von Barbara Tudor, Verlegerin

Die aktuellen Entwicklungen in der Gemeinde Maur rund um die Dorfzeitung «Maurmer Post» sind bedauerlich. Es gibt nur Verlierer.

Die Dorfzeitung, die es seit bald 50 Jahren gibt, ist in der Bevölkerung beliebt. An ihr hängen viele Emotionen, es ist sozusagen die letzte Publikation «aus dem Dorf». Entsprechend will man sie nicht loslassen und schon gar nicht in «fremde» Hände geben. Es wird deutlich, wie wichtig der Lokaljournalismus ist und wie emotional die Menschen mit einer Dorfzeitung verbunden sind. Die Lokalzeitungen werden zwar oft als «Chäsblatt» abgetan, sind für den Dialog in einer Gemeinde, das Zusammengehörigkeitsgefühl und auch die Identität enorm wichtig und wertvoll.

Gegensätzliche Bedürfnisse treffen aufeinander

In Maur bezahlt die Gemeinde jährlich über 250'000 Franken, damit die Maurmer Post herauskommt. Die Redaktoren und freien Mitarbeitenden beziehen ihren Lohn von der Gemeinde. Eine von der Gemeinde eingesetzte «Kommission Maurmer Post» hat in Maur die redaktionelle Hoheit, verantwortet also den Inhalt der Zeitung.

Solange man sich redaktionell in seichten Gewässern bewegt und vor allem die schönen Themen einer Gemeinde in den Vordergrund stellt, mag das so funktionieren. Was aber, wenn die Redaktion mit Themen konfrontiert wird, welche die Arbeit von Gemeindebehörden und damit die ihres Arbeit- und Lohngebers kritisieren?

Die Gemeinde Maur hat sich zwar lobenswert auf die Fahne geschrieben, dass die Dorfzeitung redaktionell unabhängig sein soll. Doch spätestens seit dem Vorfall im März 2024, als die Redaktion ein heikles Thema aufgriff, bei dem das Maurmer Bauamt indirekt kritisiert wurde, war es vorbei mit der propagierten redaktionellen Freiheit der Dorfzeitung. Der Autor des Artikels wurde kurzerhand freigestellt.

Damit wird deutlich, wie gegensätzlich die Bedürfnisse sind. Die Gemeinde will einerseits über ihre Arbeit berichten und amtliche Publikationen publizieren – sachlich und unaufgeregt. Die Redaktion möchte das Dorfleben widerspiegeln und den Puls der Bevölkerung, der Parteien und anderer Anspruchsgruppen wiedergeben. Und der schlägt nicht immer zugunsten der Gemeindebehörden. In einer gut gemachten Dorfzeitung muss und kann beides Platz haben.

«Wes Brot ich ess, des Lied ich sing»

Die Redaktion der Maurmer Post hatte es für einmal gewagt, aus dem seichten Gewässer zu fahren und ein heikleres Thema aufs Tapet zu bringen, das die Menschen in der Gemeinde bewegte. Es sorgte für Zündstoff und führte letztendlich zum Eklat.

Der Gemeinderat forderte umgehend eine Gegendarstellung ein, die von der Kommission natürlich auch bewilligt und abgedruckt wurde. Die für die Maurmer Post zuständige und von der Gemeinde bestimmte Kommission verweigerte dann aber dem mit schweren Vorwürfen angeprangerten Autor des besagten Artikels das Recht auf Gegendarstellung (der Gemeinderat warf ihm in der Maurmer Post vom 22. März schwere Verstösse gegen die Redaktionsrichtlinien vor). Das macht deutlich, dass das in Maur gewählte Zeitungsmodell nicht funktioniert. Mehr noch: Es ist schädlich für die Demokratie.

Mittlerweile sind beim Bezirksrat zwei Aufsichtsbeschwerden eingegangen, die Gemeinde kommuniziert nur noch über Anwälte mit den ehemaligen Redaktionsmitarbeitenden. Das ist nicht nur zwischenmenschlich eine Tragödie, sondern wird den Maurmer Steuerzahler auch noch eine (un)schöne Summe Geld kosten.

«Eine Gemeinde sollte Auftraggeberin in einer Dorfzeitung sein, aber nicht die Herausgeberin.»
Barbara Tudor, Verlagsfachfrau

Gemeinderat warnte vor dieser Situation

Ist die Gemeinde bzw. der Gemeinderat jetzt an allem schuld? Das wäre zu einseitig. Denn der Gemeinderat hatte schon früh erkannt, dass das bestehende Konstrukt der Maurmer Post nicht zukunftsfähig ist.

Letzten Sommer schlug der Gemeinderat der Maurmer Stimmbevölkerung vor, die Maurmer Post zu privatisieren. Der Gemeinderat schrieb als Begründung: «Die publizistische Unabhängigkeit auf der einen und die personalrechtliche Abhängigkeit auf der anderen Seite stehen im Widerspruch zueinander. Der Gemeinderat ortet hier eine strukturelle Fehlkonstruktion. Umso mehr, als die heutige Konstellation in der Vergangenheit wiederholt zu Konflikten geführt hatte.»

Damit hatte der Gemeinderat absolut Recht, sein Antrag war die richtige Weichenstellung für die Zukunft der Dorfzeitung. Doch die Maurmerinnen und Maurmer hatten Bedenken. Sie wollten ihre Dorfzeitung nicht in «fremde» Hände geben. Und so blieb der Gemeinde nach der Abstimmung vom 12. Juni 2023 nichts anderes übrig, als die Maurmer Post mit der Kommission und einer Leistungsvereinbarung weiterzuführen.

«Ich wünsche den Maurmerinnen und Maurmern und dem Gemeinderat, dass sie es gemeinsam schaffen, eine zukunftsorientierte, für alle stimmige Lösung zu finden.»
Barbara Tudor

Es gibt Lösungen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie eine Gemeinde an einer Dorfzeitung partizipieren und ihre Gemeindeinformationen transportieren kann, ohne in den redaktionellen Inhalt einzugreifen. Funktionierende Modelle gibt es diverse – auch in der Region, mit regional ansässigen Verlagen.

Ein bewährtes Modell ist, dass die Gemeinde nicht die Zeitung finanziert, sondern lediglich für eine skalierbare Anzahl Seiten bezahlt, welche sie für ihre eigenen Mitteilungen in Anspruch nimmt. Alle anderen Inhaltsseiten werden vom Verlag frei und unabhängig aufbereitet – unter den allgemein gültigen journalistischen Rahmenbedingungen, von einem vom Verlag bezahlten Redaktionsteam, das im Idealfall auch in der Gemeinde lebt und gut vernetzt ist.

Damit ist die Gemeinde nicht die Herausgeberin der Zeitung, sondern wie die Inserenten ein Auftraggeber. Nicht mehr und nicht weniger. Damit könnte die Gemeinde eine schöne Stange Geld sparen, und eine Kommission bräuchte es auch nicht mehr. Alles, was es braucht, ist eine gut formulierte Vereinbarung mit dem herausgebenden Verlag.

Dialog statt Anwälte

Ich wünsche den Maurmerinnen und Maurmern und dem Gemeinderat, dass sie es gemeinsam schaffen, eine zukunftsorientierte, für alle stimmige Lösung zu finden. Vor allem aber hoffe ich, dass sich die Betroffenen rasch an einen Tisch setzen, sich in die Augen schauen und die Unstimmigkeiten ein für allemal aus der Welt schaffen. Ohne teure Anwälte. Mit gegenseitigem Verständnis für die jeweilige Sicht der Dinge. Für ein gutes Miteinander in der Gemeinde – und für eine freudige, zukunftsfähige Maurmer Post.

Barbara Tudor ist dipl. Verlagsfachfrau und seit 25 Jahren in den Medien tätig. Mit ihrer Firma Tudor Dialog GmbH betreibt sie eine Marketing- und Kommunikations-Agentur und gibt mehrere Lokalzeitungen in der Region heraus. Sie ist zudem die Betreiberin der Online-Newsportale Zürioberland24, Uster24 und Pfäffikon24. www.tudordialog.ch/verlag

Barbara Tudor