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Sport
30.08.2024
25.10.2024 11:50 Uhr

Flynn Thomas: «Ich habe bereits gewonnen»

Fast auf Augenhöhe : Flynn Thomas (rechts) und Wimbledon-Sieger Carlos Alcaraz.
Fast auf Augenhöhe : Flynn Thomas (rechts) und Wimbledon-Sieger Carlos Alcaraz. Bild: zvg
Er ist erst 15 Jahre jung, gehört aber zu den Meistern seines Fachs. Flynn Thomas aus Ebmatingen spielt die Gegner auf dem Tennisplatz an die Wand. Im Interview erzählt er, wie er in Wimbledon Novak Djokovic begegnet ist und was er an Ebmatingen besonders mag.

Das Ebmatinger Tennistalent Flynn Thomas sorgt für Furore. In Wimbledon stiess der 15-Jährige gleich bei seiner ersten Teilnahme am Juniorenturnier in die dritte Runde vor – und er traf die Grössten der Grossen.

Erstmals auf dem heiligen Rasen

Es war wie eine Mischung aus Abenteuerferien und sportlicher Höchstleistung. Flynn Thomas, 15-jähriges Ausnahmetalent im Spiel mit Racket und Filzball, trat erstmals auf dem heiligen Rasen von Wimbledon an. Dabei fegte er in der Qualifikation alle Gegner vom Feld – und stiess im Haupttableau bis in die 3. Runde vor. Neben dem Platz traf er einige der grössten Spieler der Gegenwart: den späteren Turniersieger Carlos Alcaraz und den ewigen Superstar Novak Djokovic. Obwohl für Flynn Thomas der Weg an die Weltspitze noch weit ist, hat er mit der Teilnahme am prestigeträchtigsten Juniorenturnier schon einen Platz in einer illustren Reihe auf sicher: Die Schweizer Heinz Günthardt (1976), Roger Federer (1998) und Roman Valent (2001) gewannen den Event sogar. Allerdings waren sie zu diesem Zeitpunkt alle zwei oder drei Jahre älter als der Ebmatinger heute.

Im Interview schildert Flynn Thomas seine Eindrücke vom berühmtesten Tennisturnier und spricht über seine Ziele und Träume.

Du standest im Juli das erste Mal auf dem heiligen Rasen von Wimbledon. Wie fühlte es sich an?

Es war eine sehr spannende Erfahrung. Das Turnier ist natürlich grösser als alles, was ich bisher erlebt habe. Aber insgesamt war es eine sehr angenehme Atmosphäre – very British halt … (lacht). Selbstverständlich war ich ziemlich aufgeregt. Aber wenn ich mich auf mein Spiel fokussiere, blende ich das Drumherum aus.

Wie spielt es sich auf Rasen?

Toll! Diese Unterlage gefällt mir sehr gut. Vom Gefühl her ist es ähnlich wie auf Hartplatz.

Deine Gegner waren bis zu drei Jahre älter. Hast du eine Taktik gegen so viele erfahrenere Konkurrenten?

Keine spezielle. Mein Spiel ist variabel – und ich kann mich den Gegnern gut anpassen. Die Grösse ist für mich nicht relevant; und auf das Alter meiner Gegner achte ich kaum.

Du hast in Wimbledon die dritte Runde des Juniorenturniers erreicht. Wie wertest du dieses Resultat ?

Man muss das grosse Bild im Auge behalten: In Mailand, Roehampton und Wimbledon habe ich mich dreimal erfolgreich durch die Qualifikation gespielt – im Gegensatz zu meinen Gegnern. Mit dem Resultat in Wimbledon bin ich zufrieden, mehr aber nicht. Ziel ist es immer, das letzte Spiel – also das Turnier – zu gewinnen.

«Wir werden Tag für Tag bewertet. Das ist fördernd, aber auch fordernd.»
Flynn Thomas

Wie sehr hat dich das Turnier körperlich gefordert?

Sehr stark. Weil ich aufgrund meines Alters im Vorfeld von Wimbledon zwei Turniere weniger spielen konnte als beispielsweise mein Schweizer Kollege Henry Bernet, war das Qualifikationsturnier aufgrund des Rankings unumgänglich. Dies bedeutet auch, dass man einen viel grösseren Aufwand betreiben muss, um überhaupt ins Haupttableau zu kommen. Deshalb stösst man irgendwann an die körperlichen Grenzen. Aber das nehme ich gerne in Kauf. Schliesslich gehört diese Erfahrung zum Lernprozess. Und wie sagte doch schon Konfuzius: Der Weg ist das Ziel.


Du hast in Wimbledon auch die ganz Grossen persönlich getroffen – Novak Djokovic und Carlos Alcaraz. Wie waren diese Begegnungen?

Das war sehr beeindruckend, auch wenn alles klar reglementiert ist. Wir benutzen zwar alle dieselbe Garderobe, aber die grossen Spieler muss man – das ist eine Vorgabe des Internationalen Tennisverbands – in Ruhe lassen. Es herrscht in der Kabine auch ein striktes Handyverbot. Carlos ist aber ein sehr cooler Typ. Ich durfte sogar ein Foto mit ihm machen. Es würde mich sehr freuen, wenn ich mal mit ihm spielen könnte. Ganz generell war es für mich extrem motivierend, einen so grossen Star persönlich zu treffen.

Jetzt geht’s dann ab ans US Open. Was erwartest du von diesem Turnier?

Erwartungen sollte man keine haben, sonst erzeugt man unnötigen Druck. Jeder Tag ist anders. Der Tennissport ist mein Job und meine Leidenschaft. Aber es gehört auch zum Sachzwang im Tennis, dass man öfter verliert, also aus dem Turnier ausscheidet, als dass man auf diesem Level ein Turnier gewinnt. Als Arbeitnehmer kann man sich mal einen schlechten Tag erlauben. Wir Sportler können das nicht. Wir werden Tag für
Tag bewertet und gemessen. Das ist fördernd, aber auch fordernd. Einmal wirst du beklatscht, einmal ausgebuht. Im Büro geschieht dies nicht. Damit muss man umgehen können. 

«Egal, was kommt: Ich habe bereits gewonnen – für mich selber. Plan B ist nie eine Option.»
Flynn Thomas

Du trainierst mittlerweile am Leistungszentrum von Swiss Tennis in Biel. Weshalb hast du diesen Schritt gemacht? Wurde die Lengg in Zürich Seefeld zu « klein » für dich?

Nein, zu klein wurde die Lengg nicht. Aber ich fand keine Trainings und Spielpartner mehr. Ausserdem war ich fast ein Jahr nach der Lengg in Palermo an der Akademie von Francesco Cinà. So war es der logische Schritt, nach Italien ins Leistungszentrum Biel zu wechseln. Robin Roshardt war auf der Lengg ein toller Trainer, der mir viel beigebracht hat. Aber nach der Juniorenzeit muss man einen Schritt weiter gehen.

Wer ist jetzt dein wichtigster Trainer?

Ich trainiere im Verband. Dort hat man viele Trainer und wird zugewiesen. Headcoach ist Kai Stentenbach. Einen Privattrainer habe ich leider nicht.

Hast du schon ein Management? Wofür?

Biel koordiniert alles für mich. Das reicht total aus. Ansonsten hält mir meine Mutter den Rücken frei.

Wie lebt es sich in Biel?

Gut. Aber leider nicht so gut wie in Palermo (lacht). Dort bewohnte ich in einem umgebauten Pferdestall ein kleines Zimmer mit Bett und Dusche und lernte neben Italienisch auch putzen und kochen.

Wie viel Ebmatingen steckt noch in dir?

Meine Mutter und meine Schwestern und der Freund meiner Mutter leben dort. Und das Wichtigste: Mein Hund Rocky, ein Zwergspitz-Mischling, ist dort! Was ich an Ebmatingen sonst besonders schätze: mein Zimmer und den Kühlschrank. Und ich finde es cool, dass die Migros bis um 20 Uhr offen hat und ich immer fünf Minuten vor Ladenschluss Chips einkaufen gehen kann.

Welches sind deine weiteren Ziele?

Gewinnen und das Wichtigste: Spass haben an dem, was man macht, und die Zeit geniessen. Der Rest ist unwichtig.

Hast du einen Plan B, falls es mit der Tenniskarriere nicht klappt?

Es hat ja geklappt, ich bin Weltmeister, Europameister und mehrfacher Schweizer Meister. Und 2023 war ich der Spieler mit den meisten ITF-Siegen. Egal, was kommt: Ich habe bereits gewonnen – für mich selber. Plan B ist nie eine Option.

Wovon träumst du?

Nie alt zu werden. Das Leben ist einfach geil

Behält das grosse Bild im Auge: Flynn Thomas. Bild: Swiss Tennis

Dieser Beitrag ist am 30. August 2024 in der «Maurmer Zeitung» erschienen.

Thomas Renggli, Redaktion «Maurmer Zeitung»